"THROUGH" - NEUES KRAAN ALBUM!

Wintruper Echo als Sounderlebnis

Das Wintruper Echo schallt wieder. Nicht wie man meinen könnte als nachhallendes Klangereignis, das sich an den mächtigen Gipfeln der Rock-Nostalgie bricht. Eher schon als zeitlos faszinierendes Sounderlebnis. Im Klartext: Kraan sind wieder voll da. Und dass es die legendäre deutsche Band auch nach mehr als 30 Jahren auf Bühnen in aller Welt noch ernst meint, konnte man bereits in ausverkauften Konzerten und vor zwei Jahren auch auf einem Livealbum hören. Jetzt reichte dem Quartett die verfeinerte Reproduktion der eigenen und durchaus geschätzten Stücke allein nicht mehr. Wie in den guten, alten Tagen im Ulmer Proberaum oder zu Kommunenzeiten auf dem Gutshof Wintrup im Teutoburger Wald wurde in Jan Frides kleinem Studio nahe dem Bodensee gejammt bis die Richtung stimmte. Let the good times roll und doch kein schaler Aufguss, denn schließlich agieren hier international anerkannte Instrumentalisten, die musikalisch immer auf der Höhe der Zeit geblieben sind. Hellmut Hattler etwa, der mit Tab Two von Erfolg zu Erfolg eilte um nach dem Ende dieser Duo-Ära mit seinem aktuellen Solo-Projekt HATTLER sofort den Jazz-Echo abzuholen oder mit dem neuen Album "Mallberry Moon" in den Jazzcharts Cracks wie Maceo Parker abzuhängen. Oder Drummer Jan Fride, der sich immer wieder an den Fellen von De-Phazz blicken ließ.

Und jetzt ist sie also da: "Through" ist der Name des ersten Studioscheibe nach zwölf Jahren und eigentlich klingt sie so, als hätten die Vier ganz einfach an den Erfolg von Alben wie "Wiederhören" oder "Nachtfahrt" angeknüpft. Zurückgelehnt, ganz tief im Hohlkreuz, als seien die Musiker mit ihren Beats und Melodien schon lange schwanger gegangen, klingen die meisten Songs. Angestrengt hört sich hier nichts an - ganz im Gegenteil. "Wir haben mit dieser Band längst alles erreicht, was zu erreichen war, wir müssen es wirklich niemandem mehr beweisen, Kraan ist durch mit der Pflicht", ergänzt Hattler, "ab jetzt ist nur noch Kür". Hier geht's nicht wie bei so vielen Bands, die mit einem Comeback die Rente sichern wollen, um bare Münze. Man hört es: Hier ist jede Menge Spaß im Spiel, und die Chemie im Quartett stimmt noch immer. "Es waren ja damals musikalische Differenzen, die zum Bruch führten. Es war mir zu viel Technik im Spiel und jeder versuchte eine andere musikalische Richtung einzuschlagen. Daher zerbrach das Gesamtkonzept ", erinnert sich Jan Fride. Zehn Jahre später war die Reunion wieder ein Thema. Gitarrist Peter Wolbrandt juckte es beim Zusammenstellen alter Aufnahmen für eine CD wieder in den Fingern, die anderen Ex-Mitglieder waren auch nicht abgeneigt, und als dann noch die Veranstalter des Herzberg-Festivals und des Internationalen Donaufests in Ulm wegen Konzerten anfragten, traf man sich im alten Proberaum. Sessions in Zimmerlautstärke, aber mit bekannter Energie. Schnell war den Vieren klar, dass aus dem Kurz-Comeback zur Feier des 30-Jährigen ein Neustart werden würde. "Die Sessions waren einfach grandios und liefen wie im Schlaf ab. Dieser Stil scheint in unseren Genen zu liegen, richtig in uns eingebrannt zu sein ", ist Jan Fride überzeugt. Und dieser zeitlose Sound ist das Pfund, mit dem die Individualisten und Autodidakten von Kraan, die nie in die gängigen Schubladen passten, bis heute wuchern können.

Die Produktion des Albums "Through", das auf Hellmut Hattlers Label Bassball Recordings erscheinen und von edel vertrieben wird, wurde ganz bewusst spartanisch gehalten. Acht Spuren mussten für die basic tracks reichen und aufgenommen wurde in Jan Frides kleinem Studio. "Wir wollten die Aufnahmen sehr frei gestalten und haben erst gar nicht mit Labels verhandelt, sondern sind selbst aktiv geworden", sagt Jan. So habe man auch die notwendige Ruhe gehabt, die Musik zu entwickeln. "Der Druck war gänzlich ausgesperrt, und jeder konnte sich locker miteinbringen." Die Basics aller Stücke wurden live und am Stück eingespielt, an den besten Versionen später gefeilt. Und so klingt die Scheibe wie aus einem Guss. Und den offenbar kleinen Aufwand an Technik hört man der CD wahrlich nicht an. Kraan wieder einmal zeitlos gut.


KRAAN-Bio Kräftig gejammt wurde bereits 1969 und die Bands der Waldorfschüler Peter Wolbrandt (Gitarre), Jan Fride (Schlagzeug) und Hellmut Hattler (Bass) trugen Namen wie Veith Wolbrandt Group oder Inzest. Gegründet wurde Kraan allerdings erst 1971. Das Trio lernte den Saxophonisten Johannes "Alto" Pappert kennen, der nach neuen musikalischen Freiräumen suchte. Die Mischung aus Jazz, Rock und östlichen Elementen wurde in Berlin und Ulm entwickelt, den Namen Kraan erfand Hellmut Hattler. Peter Wolbrandt dazu: "Keine Ahnung was da in ihm vorging." Wir wissen es auch nicht, aber der Name griff. Auf dem Gut Wintrup im Teutoburger Wald, das dem Graf Peter von Metternich gehörte und der schnell zum Fan von Kraan wurde und die Musiker mietfrei wohnen ließ, wuchs die Band in der Abgeschiedenheit zur Einheit.
Die erste Platte, mit dem schlichten Titel Kraan wurde in nur zwei Tagen im Mai 1972 eingespielt. In Fachzeitungen ernteten die vier Musiker hohes Lob, in Leserpolls belegten sie Spitzenplätze. Kraan wurde zu einer der beliebtesten Festival-Bands und bestritten mehr als 100 Konzerte pro Jahr - viele auch in England oder als Headliner in Roskilde.
Nach den Alben "Wintrup" und "Andy Nogger" erschien 1975 das legendäre und im Berliner Quartier Latin eingespielte Doppelabum "Kraan live" - wohl eines der besten Alben der deutschen Rockgeschichte, das in fast jedem Plattenschrank stand. Neue Klangfarben brachte wenig später der Keyboarder Ingo Bischof auf der von Conny Plank produzierten LP "Let It Out" ins Spiel. Es folgten allerdings Egotrips und der Kommunenkoller. Nach dem von der Fachpresse gefeierten Album "Wiederhören" und der anschließenden Tournee gingen die Musiker im Mai 1977 "zum letzten Mal" gemeinsam von der Bühne. Für die deutsche Musikszene und die Fans war es ein Schock.
Peter Wolbrandt produzierte ein Soloalbum und Hellmut Hattler veröffentlichte die LP "Bassball". Aber wenige Monate später schon wurde die nächste Kraan-Platte "Flyday" mit starkem psychedelischen Touch aufgenommen. Der neue Drummer wurde Hellmuts Bassball Live-Schlagzeuger Udo Dahmen. Der Musikexpress schrieb damals: "Flyday ist eine hochgradig emotionale LP, auf der die reformierten Kraan, die ja sowieso noch nie auf dem deutschrockigen Kulturtrip waren, gelöst und spontan wirken wie kaum eine andere europäische Band."
Danach spielten Kraan in stetig wechselnden Formationen weiter. Auf drei Stücken der LP "Nachtfahrt" spielte Jan Fride wieder Schlagzeug, bis er vom populären Jazzrock-Drummer Gerry Brown abgelöst wurde. 1987 trafen sich die Kraaniche Hellmut, Peter und Jan nach drei Jahren Live-Pause im Frühjahr 1987 wieder, um mit dem Trompeter Joo Kraus als neuem viertem Mann hin und wieder auf die Bühnen und ins Studio zu gehen. Die "Kraan Live '88", "Dancing in the Shade" und "Soul of Stone", eine Scheibe, die schon sehr nach Tab Two klang, sollten die letzten Platten vor einer längeren Pause sein. 1990 schien das endgültige Aus von Kraan gekommen zu sein. Tab Two begannen ihren Höhenflug, während Peter und Jan zu erfolgreichen Computerspezialisten wurden und sich von der Musik entfernten. So weit, so gut, denn im März 1999 entdeckte der dänische Kraan-Webmaster Michael Bohn die Homepage von Peter Wolbrandt und setzte einen Link auf dessen Seite. Schnell begannen Kraan-Fans, Peter Wolbrandt mit Mails zu beknien, Kraan wiederzubeleben. Ein Resultat mit komplett neuen Stücken liegt jetzt in ihrem CD-Spieler und heißt "Through".

(Udo Eberl/SWP, 05/2003)