Review Gotham City Beach Club Suite 2010

HATTLER : GOTHAM CITY BEACH CLUB SUITE

...doch jetzt ist Schluss! Gruss und Kuss, dein Julius.
Fahrn Fahrn Fahrn – ich will Bollerwagen fahrn, Boller-Bollerwagen fahrn...

(Hattler: Bollerwagen)

HATTLER : GOTHAM CITY BEACH CLUB SUITE

Alles schwierig. Alles schwer.

Fange ich also sachlich an : Hellmut Hattler hat mit HATTLER nach »THE BIG FLOW« ein neues Studioalbum vorgelegt, bzw. wird es am 29.10. 2010 veröffentlichen.

Und werde sofort unsachlich, sage: Endlich!

Ein neues Album! Was heißt das? – Hellmut Hattler hat für HATTLER neue Stücke gedacht, gespürt, erfunden, empfunden, gespielt, entwickelt, erweitert, modifiziert bis sie seinen Ansprüchen genügten. Hatte sie dann als »gut« befunden und produziert.

Das Album heißt : »GOTHAM CITY BEACH CLUB SUITE« und umfasst elf Stücke. Von NICE FLIGHT bis MARIELYST.

Und sämtliche Assoziationen von Washington Irving, der in seiner Essaysammlung »Salmagundi, or the Whims and Opinions of Launcelot Langstaff and Others« den Begriff »Gotham City« für New York geprägt hatte, über Edgar Poe’s »Doings of Gotham« bis Bruce Wayne alias »Batman« klingeln sofort.

Doch es gibt nichts Neues zu sagen über »GOTHAM CITY« : Hattler hat sich halt wieder einmal selbst übertroffen.

Schon beim ersten Hören hat mich Hattlers Musik sofort; sofort nimmt sie mich ein, sofort gefangen. Verblüffend.

Ungläubig erinnere ich, dass dieses Album von verlagsseite abgelehnt worden ist.

Sicher, heutzutage sind auch in der Musikindustrie aus Gründen der Kostenoptimierung genannten qualitativen Verelendung nur noch Hiwis eingesetzt.

Doch es ist gewaltig! Umwerfend!

Wie alle Werke Hattlers ist auch dieses nicht massenkompatibel, aber Hattler hat sich selbst so was von übertroffen. Mit »GOTHAM« hat er, mit Verlaub, seine eigenen, hohen Standards weit übertroffen, hinter sich gelassen. Wie immer.

Es gibt Längen, ich empfinde sie so, rein subjektiv, aber wer bin ich, dass ich darüber richte.

Ich will auch nicht assoziieren, an wen mich Hattlers Basspiel erinnert. Manchmal kommt es weich & mild daher wie bei ... .

Das eben nicht.

Alle Musiker sind in relaxter Hochform und musizieren allzeit hochkonzentriert mit präzisem Timing auf dem Punkt. Ein Satz aus der Kampfkunst fällt ein: If you're not living on the edge, you're taking up too much space.

Rasch LIVING durch PLAYING ersetzt und schon entsteht das exakte Hörbild. Ausgezeichnet durch dichte, intensive flirrende Spannung.

Aber ich will sicher gehen, kenne mich, und so richte ich mir eine Endlosschleife ein, höre GOTHAM wieder und wieder.

Bereits beim zweiten Hören entdecke ich Weiteres, Anderes.

Beim dritten, vierten: mehr, mehr immer mehr.

Höre, sehe, assoziiere musikalische Bilder. Aber es sind keine Landschaften im Sinne von »landscapes«, sondern vielmehr mit der Seele empfundene »heartscapes«: Herzensbilder, besser übersetzt mit : Seelenbilder.

Danach lasse ich die Musik einfach spielen, beginne mit ihr zu leben und sie wird selbstständig.

Und es ist mir, als lägen unter den wunderfein getakteten und gespielten Stücken, unter ihren Oberflächen andere Stücke, die es weiter zu entdecken gelte.

Ich bekomme eine Idee von Umbruch, Veränderung, welcher Art auch immer. Diese Stücke sind nicht, was sie scheinen. Sie tun nur so.

Sagen wir »Bollerwagen«, einer meiner Lieblinge.

Und überlege sofort: was heißt „Bollerwagen fahrn“ für einen best ager? Eben: Ausgelassene Dinge tun, sich jung fühlen, frei und unbeschwert sein. Raus aus dem alten Habit.

GOTHAM ist ein urgründlich, seltenfein gearbeitetes Gesamtwerk, bei dem ich mit der im Press-Kit vorgegebenen Kategorie »DJ-Style« überhaupt nichts anfangen kann. Sorry!

Und auch nicht weiß, warum eine „entspannungshungrige Partymeute in Amerika“, die ich mit nem Haufen zugekokster Bionadetrinker mit verkrüppeltem Ego (L. Riedel) verbinde, Zielpublikum sein könnte, sollte.

Ich werde jedenfalls beantragen, dass Hellmut Hattler schon zu seinen Lebzeiten ... - nein, alles Quatsch; ich bin mir sicher, dass Hattler bereits jetzt ein Platz im Olymp der Musiker reserviert worden ist.

Und wenn nicht bereits, dann spätestens jetzt!

Dr. Udo Meyer, Hamm


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